Marie Delisle ist Doktorandin an der École des Hautes Études en Sciences Sociales (EHESS) im Promotionsprogramm Territoires, Migrations, Développement, das von Nicolas Verdier und Lucie K. Morisset (UQAM) gemeinsam geleitet wird. Als ausgebildete Geografin konzentriert sich ihre Abschlussarbeit auf die Rolle der Frau in der Seefahrts- und Arbeiter:innenklassegeschichte. Sie interessiert sich für das jüngste Wiederaufleben und die Aufwertung des kulturellen Erbes von Hafenstädten in Frankreich und England.
Forschungserklärung: Dockside work, forgotten work? The place of women in maritime and working-class heritage.
In dieser Abschlussarbeit wird untersucht, wie sich die Erinnerungen von Frauen aus der Arbeiter:innenklasse über die Seefahrtsgeschichte in Frankreich und England räumlich niederschlagen. Dabei fokussiert sich die Arbeit insbesondere auf die Frauen die in Fischfabriken arbeiteten, die sogenannten „Penn Sardin“ in Douarnenez, und auf die „Heringsmädchen“ in North Shields und Whitby. Ich untersuche, was für einen Platz diese Frauen im kollektiven Erbe haben. Es ist mit ein Anliegen zu erforschen, was es momentan für Strategien gibt, um dieses Erbe zu würdigen. Ich konzentriere mich vor allem auf folgende vier Möglichkeiten: Straßennamen und Gedenktafeln, Statuen und die Gedenk- und Tourist:innenrouten, die ihnen gewidmet sind. Diese Initiativen, die seit den 2000er Jahren umgesetzt werden, bringen ein bisher stabiles System durcheinander, das fast ausschließlich kulturelles Erbe wertschätzt, das auf Männer basiert. Obwohl Frauen neben Männern auf See eine entscheidende Rolle in der Fischereiindustrie gespielt haben, wurden die Orte, die dem Gedenken an diese Arbeiterinnen gewidmet waren, zunächst vernachlässigt oder sogar zerstört. Dies gilt insbesondere für Konservenfabriken. Der bereits beschriebene Bruch mit dem klassischen kulturellen Erbe wird durch eine Cross-Viewpoint-Analyse untersucht. Die erwähnten Prozesse sollen in diesem Forschungsprojekt aus dem Hintergrund ihrer räumlichen Dimension und in Bezug auf die Auffassung seitens der Anwohner:innen sowie die damit verbundenen Identitätsfragen analysiert werden. Die Untersuchung möchte eruieren, wie die Aufwertung dieser Form des kulturellen Erbes die konventionelle Logik des kollektiven Erbes verändert und gleichzeitig die maritime Identität dieser Gebiete stärkt.