Christoph Schaub ist Postdoktorand in den Studienfächern Germanistik und Kulturwissenschaften an der Universität Vechta. Seit 2023 ist er zudem Forschungsgruppenmitglied des Horizont-Europa-Projekts „Die Kartographie des politischen Romans in Europa“ (2023–2027) am Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin. Nach dem erfolgreichem Abschluss seines Doktorats in Germanischen Sprachen im Jahr 2015 war Christoph wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Columbia und der Universität Duke. Er ist der Autor von „Proletarische Welten: Internationalistische Weltliteratur in der Weimarer Republik“ (De Gruyter 2019) und hat umfangreiche Veröffentlichungen über Literatur und Kultur der Arbeiter:innenbewegung während der Zwischenkriegsjahre veröffentlicht. Darin beschäftigt er sich mit Intersektionalität und proletarischen Ausdrucksformen insbesondere mit dem autosoziobiographischen und autofiktionalen Schreiben von den 1970er Jahren bis heute; aber auch mit den Themen Literatur und Globalisierung; Stadtkultur; Literatur und Politik; und afro-diasporische Popmusik (Techno, Hip-Hop, Reggae/Dancehall). Christoph verbindet in seiner Arbeit materialistische Ansätze der literarischen Produktion mit einem Augenmerk auf ästhetische Formen und Öffentlichkeiten und interessiert sich besonders für die politischen und sozialen Dimensionen literarischer und kultureller Repräsentation.
FORSCHUNGSERKLÄRUNG
The Working Class and German Auto(socio)biographical and Autofictional Writing, 1970s to the Present
Das Forschungsprojekt beschäftigt sich mit deutschsprachigen Texten aus den 1970er Jahren bis heute, um die sich wandelnde Repräsentation der Arbeiter:innenklasse zu untersuchen, die im Kontext dreier historischer Transformationen stattfand: Deindustrialisierung, Hegemonie und Krise des Neoliberalismus und seiner Subjektformationen; der Aufstieg von Identitätspolitik und Diversitätsdiskursen. Das Projekt fokussiert sich auf autosoziobiographische und autofiktionale Texte von Arbeiter:innen und sogenannten „transclasses“ (C. Jacquet) und konzentriert sich damit auf die Ausdrucksformen der Arbeiter:innenklasse im Rahmen der Literatur und auf literarischen Praktiken der Fürsprache. Im Spannungsfeld mit den Genres der dokumentarischen Literatur setzen sich diese Schreibarten nachdrücklich mit dem Privatleben, der Individualität und der Familiengeschichte auseinander. Oft setzen sie sich kritisch mit dem auseinander, was ihr Publikum, was die Produktion und Rezeption ihrer Werke angeht, als politisch betrachtet. Das Forschungsprojekt untersucht, wie im Rahmen dieser Textsorte, Deindustrialisierung und Debatten über Vielfalt und Identität das, was in der deutschen Literatur als Arbeiter:innenklasse verstanden wird, verändert haben. Dabei wird die Hypothese aufgestellt, dass diese Transformation mit vielfältigeren, explizit intersektionalen, und weniger – oder auf unterschiedliche Weise – normativen Repräsentationen von Subjektivitäten der Arbeiter:innenklasse einhergingen. Darüber hinaus versucht das Projekt, die Möglichkeiten und Grenzen einer politisch-literarischen Ausdrucksform zu diskutieren, die das Persönliche sowohl als eine Möglichkeit zur Darstellung der Realität der Arbeiter:innenklasse als auch als Mittel zur Schaffung eines politischen Bewusstseins beteuert. Er fragt, inwieweit diese Betonung des Persönlichen mit neoliberalen Subjektformationen und der relativen Schwächung sozialistischer und kollektivistischer Politik verbunden ist. Das Projekt spannt einen Bogen von den 1970er Jahren bis zur Gegenwart und trägt dazu bei, die Vorgeschichte und Geschichte der „Politik unserer Zeit“ zu beleuchten, und zwar so, wie sie sich in der zeitgenössischen deutschen Literatur spiegelt. D. h., durch ein neues Interesse an prekärer Arbeit und der Arbeiter:innenklasse, eine Politisierung der Literatur, und eine sich häufende Verflechtung zwischen dem Persönlichen und der Diversität.
Email: christoph.schaub@uni-vechta.de
Websites: https://www.uni-vechta.de/kulturwissenschaften/lehrende/schaub-christoph