Andrea Negro ist Doktorand in Geschichtswissenschaften an den Universitäten Padua und Venedig, wo er an einem Projekt mit dem Titel „The toxic impact of mine work. Miners, occupational diseases and labour medicina between Belgium and Italy from 1946 to the present“ arbeitet. Seine Interessensgebiete sind Deindustrialisierung, kritische Studien zum industriellen Erbe und proletarische Berufskrankheiten. Der methodische Faden, der seine Studien verbindet, ist die Verwendung mündlicher Quellen, um individuelle und kollektive Geschichtsverläufe zu erfassen, ein Ansatz, der sich auf Erinnerungen, Narrative und subjektive Darstellungen des Arbeitsprozesses bezieht. In seiner Masterarbeit an der Ca’ Foscari und betreut von Professor Gilda Zazzara, beschäftigte er sich mit den Erinnerungen von Stahlarbeiter:innen im Nordosten Italiens.
FORSCHUNGSERKLÄRUNG
The toxic impact of mine work. Miners, occupational diseases and labour medicine between Belgium and Italy from 1946 to the present.
Mein Projekt zielt darauf ab, die Folgen der Arbeit in belgischen Bergwerken unter italienischen Bergarbeiter:innen zu untersuchen, die aufgrund des 1946 von den beiden Staaten unterzeichneten Abkommens „Gastarbeiter:innen gegen Kohle“ emigriert sind. Das Abkommen hat einen Prozess der Kommodifizierung von Migrant:innen und der Ausbeutung von Arbeiter:innen ausgelöst, der viele Folgen mit sich brachte. Die Studien über Auswanderung italienischer Bergarbeiter:innen nach Belgien nach dem Zweiten Weltkrieg konzentrieren sich hauptsächlich auf die Migrationsdynamik, die Diskriminierung italienischer Bergarbeiter:innen, die Arbeitsbedingungen und ganz allgemein auf das Jahrzehnt, in dem die Bergwerke florierten (1946-1956). Weniger Aufmerksamkeit wurde der Phase der Deindustrialisierung nach dem Bergwerk-Boom, den Berufskrankheiten oder dem toxischen Erbe der Bergwerke geschenkt. Die Auswirkungen der Bergwerke sind bis heute noch spürbar. Mein Schwerpunkt liegt auf Berufskrankheiten und deren Auswirkungen auf die Arbeiter:innen-Communitys, wie auch auf Familien und Einzelpersonen. Besondere Aufmerksamkeit gilt denjenigen, die sich nach ihrer Krankheit entschieden haben, nach Italien zurückzukehren und die Narben der Arbeit auf ihren Körpern zu tragen. Diese Arbeiter:innen bringen sozusagen das toxische Erbe in ihre Herkunfts-Communitys zurück. Ich untersuche die erwähnten Themen mit Hilfe verschiedener methodischer Instrumente der Deindustrialisierungsforschung, der Arbeiter:innengeschichte und der Oral History. Meine Forschungsarbeit betrachtet die untersuchten Phänomene aus einer Genderperspektive. Was Letzteres angeht, so wurden in der Forschung Frauen meistens nur in ihrer traditionellen Rolle als Ehefrauen betrachtet, die ihre Männer unterstützten. Sie wurden durch stereotypische Darstellungen porträtiert und galten beispielsweise als „Zuständig für das Waschen der kohlebefleckten Overalls“. Ich möchte das Thema aus einer anderen, kritischen Perspektive betrachten und die etablierten stereotypischen Narrative dekonstruieren. Andererseits bedeuteten die Berufskrankheiten (in diesem Fall vor allem Silikose und Fibrose) für viele Bergarbeiter eine Infragestellung ihrer Männlichkeit. Denn sie fühlten sich gedemütigt, weil sie in einem kranken Körper gefangen waren, der allmählich seine Kraft verlor. Einer Arbeit nachzugehen, war für viele nicht mehr möglich, was zu viel Leiden und vorzeitigen Todesfällen führte.
Email: andrea.negro.1@phd.unipd.it