Dr. Anna Calori ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Imre Kertesz Kolleg der Universität Jena. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Arbeits- und Sozialgeschichte, Wirtschaftsgeschichte und Weltgeschichte. Ihr jüngstes Post-Doc-Projekt analysiert die wirtschaftliche und multilaterale Zusammenarbeit Jugoslawiens mit dem globalen Süden. Die Entwicklungspolitik und der Austausch von Fachwissen stehen dabei im Zentrum. Für ihre Doktorarbeit, die eng mit dem DePOT-Projekt verbunden ist, untersuchte sie Wirtschaftsreformen und den Deindustrialisierungsprozess im ehemaligen Jugoslawien. Sie hat im NGO-Sektor in den Westbalkanländern und bei der Internationalen Arbeitsorganisation in Genf gearbeitet.


Forschungserklärung

Work in transition. Identity, reforms, and the struggle for social ownership in a post-Yugoslav enterprise

Das Forschungsprojekt konzentriert sich auf die sozialen Veränderungen, die mit den Markt- und Privatisierungsreformen in den spät-sozialistischen und postsozialistischen Betrieben einhergingen. Ausgangspunkt dieser Fallstudie ist der industrielle Arbeitsplatz wie er von Expert:innen erdacht, von Unternehmen organisiert und von Arbeiter:innen erlebt und umgestaltet wird. Das Ziel ist, aufzuzeigen, wie sich die Arbeiter:innenidentität während den nachfolgenden wirtschaftlichen Veränderungen in Mittel- und Osteuropa neu konstituiert hat. Das Forschungsprojekt stützt sich auf Oral-History-Interviews, Archivbestände und auf Material und Information aus den Arbeitsplätzen selbst. Es untersucht die Wellen der Deindustrialisierung, Privatisierung und Marktreformen in den ehemals sozialistischen Ländern, die nicht einfach von außen durch die hegemonialen Kräfte westlicher liberaler Märkte aufgezwungen wurden, sondern auch durch einheimische wirtschaftliche Gedanken und Praktiken geprägt wurden. Diese Mikro-Perspektive bietet einen genauen Einblick in die Art und Weise, wie durch „Top-down“ und „Bottom-up“ Ansätze Druck ausgeübt werden kann, um Reformen im Einklang mit den Marktgesetzen einzuführen und wie sich dies auf Unternehmen und Industriekomplexe auswirkt. Durch die Erforschung der Wechselwirkungen zwischen Wirtschaftsreformen und Identitätsbildung leistet das Projekt einen vielfältigen historischen Beitrag, nicht nur im Hinblick auf die globale Geschichte des Sozialismus oder im Bereich der Transitionsforschung über Mittel- und Südosteuropa, sondern auch für die Arbeits- und Identitätsforschung im sozialistischen und postsozialistischen Jugoslawien und der Deindustrialisierungsforschung. Das Projekt eignet sich für Vergleiche mit anderen südeuropäischen Ländern mit einer Tradition selbstverwalteter Kooperativen, wie Italien und Spanien.