Anna Guildea ist Doktorandin am Institut für Politikwissenschaft und Soziologie der Scuola Normale Superiore in Florenz. Ihr Promotionsprojekt untersucht den Zusammenhang zwischen Deindustrialisierung und Männlichkeit – insbesondere im Zusammenhang mit rechtsextremen Wählern in westeuropäischen Ländern. Ab 2021-2023 war sie Yenching-Stipendiatin an der Universität Peking, wo sie die politische Ökonomie der Arbeitskräftenachfrage in China im verarbeitenden Gewerbe und im Industriesektor erforschte. Beide Sektoren sind einer zunehmenden Automatisierung ausgesetzt. Sie hat auch einen MSC-Abschluss in Internationaler Politischen Ökonomie von der Universität von Dublin, wo sie ihre Diplomarbeit über das „anomale“ Ausbleiben einer rechtsextremen Wahlpräsenz in Irland verfasste. Dabei verglich sie die einzigartige Wirtschaftsgeschichte Irlands mit den Deindustrialisierungserfahrungen in Ländern Kontinentaleuropas. Zu ihren beruflichen Erfahrungen zählen die Tätigkeit als Politikforscherin beim Europäischen Institut für Internationale Politische Ökonomie und bei der irischen Delegation der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

FORSCHUNGSERKLÄRUNG

Masculinity, Occupational Transformation ans Support for the Populist Far-Right: A Constructivist Political Economy Analysis

Fast alle westliche Demokratien sehen sich mit einem aufstrebenden rechten Nationalpopulismus konfrontiert, der den etablierten Parteienwettbewerb neu konfiguriert.  In den letzten Jahren ist viel Forschungsmaterial aus dem Bereich der politischen Ökonomie entstanden. Dabei wurde der globale wirtschaftliche Wandel und seine Auswirkungen auf Beschäftigung, Berufsstruktur und Fachkräfteverteilung mit dem Aufschwung des Rechtspopulismus in Verbindung gebracht. Es stellte sich heraus, dass es einen Zusammenhang zwischen einem wahrgenommenen Rückgang des subjektiven sozialen Status, infolge der Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt, und der Unterstützung rechtspopulistischer Kräfte gibt. Für bestimmte Arbeiter:innen – die in den Studien nach „Qualifikationsniveau“ differenziert werden – waren diese arbeitsmarktlichen Veränderungen einschneidend.  Parallel dazu wird das Phänomen des Rechtspopulismus in der zeitgenössischen Forschungsliteratur vermehrt aus einer Geschlechterperspektive analysiert. Männlichkeit gilt als entscheidende analytische Dimension, um den Aufstieg des Rechtspopulismus zu erforschen. Nicht nur im Hinblick auf den Inhalt und die Ziele rechtspopulistischer Parteien, sondern auch in Bezug auf den „gender gap“ bei den Wählern und der Bedeutung der „traditionellen Männlichkeit“ bei denselben. Meine Forschungsarbeit wird auf Literatur zurückgreifen, die den Zusammenhang zwischen Männlichkeit und arbeitsmarktlicher Transformation aufzeigt. Die Erfahrung des wirtschaftlichen und damit zusammenhängenden arbeitsmarktlichen Wandels kann ohne die Miteinbeziehung der Kategorie „Geschlecht“ nicht verstanden werden. Das bedeutet, dass die Unterstützung rechtspopulistischer Kräfte nicht auf wirtschaftliche Veränderungen reduziert werden kann, denn Arbeit und Arbeitslosigkeit sind auch eine geschlechtsspezifische Erfahrung. Folglich weist die Reaktion auf arbeitsmarktliche Veränderungen je nach Geschlecht andere politische Verhaltensweisen auf. Durch eine vergleichende, konstruktivistische Analyse im Rahmen der politischen Ökonomie und der Methode der Triangulation, erhoffe ich durch meine Forschungsarbeit, eine kritische analytische Kategorie der Männlichkeit zu entwickeln. Mich interessiert, wie Männlichkeit die moderne Weltwirtschaft geformt hat, wie wirtschaftliche Transformation wiederum lokale Männlichkeiten formt, und wie diese sich gegenseitig beeinflussenden Prozesse zu einem wahrgenommenen Rückgang des sozialen Status bei bestimmten Berufssektoren führen. Ich hoffe, das meine Forschung dazu beitragen kann, einer Antwort auf folgende Frage näher zu kommen: Warum sind einige Bevölkerungssektoren anfälliger für rechte Inhalte als andere?


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