Dr. Pete Hodson ist ein vom Irish Research Council finanzierter Postdoktorand an der School of Histories and Humanities am Trinity College Dublin. Vor dieser Tätigkeit arbeitete ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter für zwei Forschungsprojekte an der Universität von Ulster und unterrichtete Geschichte auf Bachelorstufe an der Queen’s Universität Belfast, wo ich zuvor meine Abschlüsse (BA-Hons, MA und PhD) gemacht habe. Meine Dissertation habe ich 2019 eingereicht und sie wurde von DePOT Co-Investigator Professor Sean O’Connell betreut. Dabei ging es um eine interregionale und intersektorale Studie über die Deindustrialisierung und ihre sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Nachwirkungen. Das Harland & Wolff-Werft (Belfast) und das National Coal Board (Durham Area) dienten als Fallstudien für das Forschungsprojekt. Durch Oral-History-Interviews, die zwischen 2016 und 2017 im Durham Coalfield und in East Belfast durchgeführt wurden, versuchte ich die Stimmen der Arbeiter:innenklasse in den Vordergrund zu stellen. Die Verknüpfung von Kulturerbe und Erinnerungskultur bildet den Forschungsrahmen des Projekts. Das ist deswegen von Bedeutung, weil dadurch die Machtkämpfe im Hinblick auf die Narrative über das Industriekulturerbe wie auch die Umgestaltung des industriellen Raums besser verstanden werden können. Meine Forschungsarbeit spiegelt diese verschiedenen Aspekte wider, wobei ich mich stärker auf die geschlechtsspezifischen, politischen und räumlichen Dimensionen der Deindustrialisierung in Nordirland nach dem Nordirlandkonflikt konzentriere.
Email: hodsonp@tcd.ie
Forschungserklärung
Manufacturing memory: work, gender and deindustrialisation in Northern Ireland light industry
Das Projekt wird die Sozialgeschichte, die Erinnerungskultur und das Industriekulturerbe der Leichtindustrie – verstanden als kleinere Produktionsbetriebe – in zwei nordirischen Fallstudien untersuchen: die Textilindustrie in Derry-Londonderry und die Tabakindustrie in Ballymena. Beide Stadtgebiete liegen in einiger Entfernung von Nordirlands wichtigster Industrieregion (Belfast und das Lagan Valley). Derry-Londonderry hat eine mehrheitlich katholische Bevölkerung und Ballymena ist mehrheitlich protestantisch.
Es ist bezeichnend, dass in beiden untersuchten Industrien überwiegend Frauen beschäftigt waren. Dass diese Forschungsarbeit sich nicht primär auf männliche Perspektiven fokussiert, unterscheidet sie von den meisten Studien zur Deindustrialisierung. In „Manufacturing memory“ zeigt sich, dass es unter Deindustrialisierungsforscher:innen ein wachsendes Bewusstsein darüber gibt, dass es notwendig ist die Untersuchungen nicht nur auf die zentralen Industrieregionen, -Sektoren und -Beschäftigte zu fokussieren. Die Forscher:innen haben sich auf Fallstudien konzentriert in denen die Deindustrialisierung tiefgreifende (und oft erbittert umstrittene) Narben hinterlassen hat. Dies hat in der Literatur dazu geführt, dass meistens die Schwerindustrie (Kohle, Stahl, Schiffbau) und auch männlichen Erzählungen von wirtschaftlicher Verdrängung und kulturellem Verlust im Vordergrund stehen. Bisher hat sich die Forschung überwiegend auf die Schwerindustrie und die Arbeiter:innenklasse-Community fokussiert, die diesen riesigen und arbeitsintensiven Sektor trägt. All das hat Auswirkungen auf das allgemeine Verständnis von Industriearbeit, Identität und Community im 20. Jahrhundert.
Das Projekt untersucht kleinere Leichtindustrien in nordirischen Provinzregionen, mit dem Ziel die „Halbwertszeit“ der Deindustrialisierung besser zu verstehen. D. h. vor allem die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Verwerfungen, die mit der Schrumpfung und Schließung verschiedener Industrien wie auch mit der urbanen Restrukturierung einhergingen, und die über die unmittelbar betroffenen Arbeiter:innen und Communitys hinaus kaum wahrgenommen wurden. Durch die Oral-History Methode sollen die weniger sichtbaren geschlechts- und klassenspezifischen Auswirkungen dieses Prozesses erforscht werden. Die politischen Auswirkungen der Deindustrialisierung sind in allen westlichen Demokratien immer stärker zu spüren. Die postindustrielle Unzufriedenheit hat oft (aber nicht ausschliesslich) rechtspopulistischen Kampagnen Aufschwung gegeben. Heute werden meistens jegliche Verschiebungen im Wähler:innenverhalten in Nordirland auf vereinfachte Weise durch Religion, Nationalität und historische Konflikte erklärt. Die Forschungsarbeit „Manufacturing memory“ wird diese Analyse erweitern, indem sie die Themengebiete Deindustrialisierung, wirtschaftliche Gewalt und Industriekulturerbe miteinbezieht.