Ich habe einen Master in Gender Studies an der Universität für Sozialwissenschaften EHESS (École des hautes études en sciences sociales) in Paris gemacht. In meiner Abschlussarbeit untersuchte ich die Beteiligung der Ehefrauen der streikenden Arbeiter am Streik bei „Le Parisien Libéré“ (1975–1977) und die Weitergabe der Erinnerung an den Kampf an die Kinder der Arbeiter:innen. Im Januar 2024 begann ich dann mit meiner Abschlussarbeit über die verschiedenen Streiks von 1963 bis heute.

Forschungserklärung: Family on strike from 1963 to the present day

Um einen Streik über einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten, müssen die Arbeiter:innen solidarisch Handeln. Jeden Tag leisten die Ehefrauen der Streikenden verschiedene Formen unsichtbarer und verborgener Arbeit, um die Umsetzung dieser Solidarität zu ermöglichen: Sie organisieren die Versorgung, kochen, sammeln Spenden … Dennoch gibt es nur wenige wissenschaftliche Studien, die sich mit der Arbeit dieser Frauen befassen, obwohl es sie sind, die den Streik ermöglichen. Im Rahmen gängiger Auffassungen von Klasse und Geschlecht werden sie von Gewerkschaften und kommunistischen Organisationen als „Helferinnen im Kampf“ (Kergoat, 2012) angesehen. Darüber hinaus verändert und beeinflusst ihre Zuordnung zur „reproduktiven Arbeit“ (Walby, 1989) ihr Verhältnis zu Militanz und Engagement. Diese Doktorarbeit wirft daher die folgende Frage auf: Welche Rolle spielen die Ehefrauen der Streikenden beim Aufbau der Solidarität während der Streiks? Ein Teil dieser Forschung wird sich auch auf die Frage fokussieren, wie diese Streikpraktiken überliefert werden und wie die Eltern ihren Kindern diese militanten Erfahrungen weitergeben. Zugleich soll untersucht werden, wie die Kinder mit diesem Erbe umgehen. Die Forschungsarbeit fokussiert sich auf drei Streiks: die Bergarbeiterstreiks in Nord-Pas-de-Calais (1963-1970), die Bewegung gegen die Juppé-Reform im November und Dezember 1995 in Sotteville-Lès-Rouen (Postdienste und Reparaturwerkstätten der Französischen Bahn SNCF) und die aktuellen Streiks in Raffinerien von 2021 bis 2023. Um diese soziale Bewegungen zu untersuchen, werde ich Interviews mit Teilnehmer:innen führen und zugleich persönliche, gewerkschaftliche und öffentliche Archive sichten. Die Originalität dieser Forschungsarbeit liegt darin, dass ich die Gender Studies als Instrument zur Analyse der Kämpfe von Arbeiter:innen verwende.