Stefan Backius ist ein Historiker, dessen Forschung sich an der Schnittstelle zwischen Deindustrialisierung, Kultur, Postindustrialismus und dem kulturellen Erbe der Arbeiter:innenklasse bewegt. Derzeit ist seine Arbeit empirisch ausgerichtet und fokussiert sich auf die schwedische Industrieregion Bergslagen nach den 1970er Jahren. Er ist daran interessiert zu erforschen, wie globale Deindustrialisierungsprozesse mit dem Niedergang von Communitys, dem öffentlichen Gedächtnis und der kollektiven lokalen Identität verwoben sind. Ein weiteres Interesse gilt der Frage, wie die Erinnerungskultur von Individuen, Gruppen und Gesellschaften aussieht und wie sie diese verwenden. Seine 2011 veröffentlichte Dissertation „Arbetare på scen: amatörteater som politiskt verktyg“ [Arbeiter:innen auf der Bühne: Amateurtheater als politisches Instrument] befasst sich mit den kulturellen Aktivitäten der Arbeiter:innenklasse in den 1970er Jahren – vor allem mit dem Gedenken an einen berühmten Bergbaustreik in den 1890er Jahren. Die Mobilisierungsformen der 68er-Bewegung und die neue schwedische Kulturpolitik der 1970er Jahren schufen Orte im Grenzbereich zwischen institutionalisierten Organisationen und kollektiven Identitäten, an denen kultureller Aktivismus zu einem Schlüsselelement wurde. Das 2004 bis 2011 durchgeführte Doktorandenprogramm war Teil eines interdisziplinären Forschungsprojekts an der Universität Örebro zu Fragen der Stadt- und Regionalentwicklung.

Vor und nach seinem PhD-Abschluss war er zusammen mit Industriearbeiter:innen und Musiker:innen mehrere Jahre lang im Bereich der Bildung von Unten und in der kommunalen Kulturarbeit und der Politik tätig. Seit 2016 ist er Senior-Dozent für Geschichte an der Universität Karlstad in Schweden.

Forschungserklärung

Reminiscences of Deindustrialization: The making of public memory

Der in den 1970er Jahren eintretende Deindustrialisierungsprozess hat das schwedische Industriegebiet Bergslagen stark getroffen. Es gab für die Menschen nur sehr wenige alternative Arbeitsmöglichkeiten. Dadurch entwickelte sich eine überaus prekäre Situation sowohl für die lokalen Communitys in der Region als auch für die schrumpfende Bevölkerung in denjenigen Gemeinden, die sich mit neuen Herausforderungen und einem veränderten Erwartungshorizont konfrontiert sahen.

Gleichzeitig führten die politischen Entscheidungsträger:innen in wirtschaftlich angeschlagenen Gemeinden verschiedene Arten von kulturellen und ästhetischen Initiativen ein, die sich allesamt auf die Deindustrialisierung und die „kommende postindustrielle Gesellschaft“ bezogen. Traditionelle Werte, Ideen und Mentalitäten sowie bewährte Erfahrungen und frühere Handlungsweisen schienen in der lokalen Öffentlichkeit plötzlich überholt. Die Kultur der Arbeiter:innenklasse wurde allmählich verdrängt.

Das Forschungsprojekt befasst sich mit den vielfältigen Auswirkungen der Deindustrialisierung und konzentriert sich dabei auf die Frage, wie sich die Entwicklung der post-industriellen Ära in einer dieser lokalen Gemeinden auf das öffentliche Gedächtnis auswirkte. Darüber hinaus wird auch untersucht, was für unterschiedliche Reaktionen und Handlungsmuster als Reaktion auf die Deindustrialisierung entstanden sind. Durch eine historische Längsschnittstudie über eine kleine und ländliche Monostadt (unter 10.000 Einwohner:innen) namens Hällefors, in der die glorreichen Zeiten der Stahlindustrie noch in lebendiger Erinnerung sind, erforscht das Projekt, was für eine Beziehung es zwischen dem Niedergang der Stadt, den kollektiven Identitäten und dem kulturellen Aktivismus gibt.