Marion Henry ist eine französische Historikerin. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Centre d’Histoire de Sciences Po (CHSP). Im Dezember 2021 schloss sie ihre Doktorarbeit in Geschichte im Rahmen einer gemeinsamen Betreuungsvereinbarung (co-tutelle) zwischen Sciences Po Paris (Centre d’Histoire de Sciences Po) und der Universität Strathclyde (Scottish Oral History Centre) ab. In ihrer Dissertation untersucht sie die Geschichte der Blaskapellen, die zwischen 1947 und 1984 in der britischen Bergbauindustrie tätig waren. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sahen sich die Blaskapellen des Bergbaus mit einer doppelten Herausforderung konfrontiert. Einerseits stellten der Aufstieg der Massenkultur und die zunehmende Popularität von aus Nordamerika importierten Musikgenres den Platz der Blaskapellen innerhalb der Alltagskultur in Frage. Andererseits bedrohte die Deindustrialisierung, deren Auswirkungen auf die britischen Kohlereviere ab Ende der 1950er Jahre gemessen werden können, die Organisierung der mit der Industrie verbundenen kulturellen Aktivitäten. Die Blaskapellen des Bergbaus sind in diesem Sinne besonders geeignet, um die gemeinsamen Auswirkungen des kulturellen und sozioökonomischen Wandels auf die britischen Kohlereviere und die Arbeiter:innenbezirke im Allgemeinen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu analysieren.


Forschungserklärung

Ziel dieses Projekts ist es zu analysieren, was für Auswirkungen die Modernisierung der britischen Bergbauindustrie und der allgemeine soziokulturelle Wandel auf die Entwicklung der Geschlechterbeziehungen in den britischen Bergbau-Gemeinden im 20. Jahrhundert hatten. Dabei soll der Fokus auf den Freizeitbereich gelegt werden. Im Rahmen dieses Forschungsprojekts wird einerseits die Politik des britischen Staates zur Förderung und Überwachung der Freizeitgestaltung in den Kohlerevieren untersucht. Dadurch soll die Entwicklung der geschlechtsspezifischen Segregation von Räumen und Aktivitäten untersucht werden, um die kulturelle Seite der „Sozialfürsorge“-Politik der britischen Bergbauindustrie zu beleuchten. Die Geschichte des britischen Wohlfahrtsstaates und die Analyse der Beziehungen zwischen dem Staat, den Bergbauunternehmen und der später verstaatlichten Industrie wie auch zwischen Gewerkschaften und Arbeiter:innen, fokussierte sich bisher auf den Arbeitsschutz, während die kulturellen Aspekte dieser „Sozialfürsorge“-Politik weitgehend unerforscht blieben. Dies obwohl sie für das Verständnis der gemischten Wohlfahrtsökonomie und der Beziehungen zwischen Arbeitgeber:innen, Gewerkschaften und Arbeiter:innen durchaus relevant sind. Andererseits werden die Auswirkungen der Deindustrialisierung auf die Geschlechterbeziehungen in den Kohlerevieren anhand von Freizeitaktivitäten und Freizeit-Räumlichkeiten untersucht. Die Studie wird sich der Frage widmen, wie sich das Konzept der Männlichkeit der Arbeiter außerhalb der Arbeitssphäre verändert hat und auch die Veränderung der Rolle der Frauen in traditionell männlichen sozialen Räumen, in denen die Geschlechternormen täglich reproduziert werden, analysieren. Die Ausgangshypothese ist, dass die Deindustrialisierung und die Grubenschließungen ab Ende der 1950er Jahre den Anteil der Bergbauarbeiter in den Freizeitvereinen verringerten und dazu führte, dass mich mehr Frauen an diesen Aktivitäten beteiligten. Ziel ist es, diese Veränderungen aus einer vergleichenden Perspektive zu untersuchen, sowohl zwischen den verschiedenen Arten von Aktivitäten als auch zwischen den verschiedenen Bergbaugebieten.