Andy Clark ist mündlicher Historiker. Zu seinen Interessensgebieten gehören: Die Geschichte der Arbeit, die Deindustrialisierung, die zerstörerischen Konsequenzen gesellschaftlicher Prozesse und die Auswirkungen mehrfacher sozialer Benachteiligungen. Andy schloss 2017 sein PhD-Studium am Scottish Oral History Centre ab und arbeitete anschließend mit der Universität Stirling und der Universität von Newcastle zusammen. Im Rahmen seiner Forschungstätigkeit ging er der Frage nach, wie sich Arbeiterinnen in Schottland gegen Fabrikschließungen wehrten. Seine Analyse berücksichtigt dabei, was für kurz- und langfristigen Auswirkungen die Kapitalverlagerung auf Mobilisierungstheorien und aktivistische Erinnerungskulturen hat. Er hat einen Vertrag für eine Monographie, die auf dieser Arbeit aufbaut.

Andy interessiert sich zunehmend für die langfristigen Auswirkungen der Deindustrialisierung auf gesundes Altern und Wohlbefinden im späten Erwachsenenalter. Inspiriert wurde er von Sherry-Lee Linkons Konzept der „Halbwertszeit“ der Deindustrialisierung und von Altersforscher:innen, die sich auf mehrfache Benachteiligungen über den gesamten Lebensverlauf hinweg fokussieren. Zudem befindet er sich in der Vorbereitungsphase eines neuen Großprojekts, bei dem er zusammen mit Epidemiolog:innen und Sozialgerontolog:innen die Zusammenhänge zwischen dem Rückgang des verarbeitenden Gewerbes und dem Wohlbefinden im späten Erwachsenenalter im Nordosten Englands studiert.


Forschungserklärung

Deindustrial Pasts and Present Inequalities: An Oral History of Deindustrialisation and Experiences of Ageing

Die Finanzierung des Forschungsprojekts erfolgte im Rahmen des Economic and Social Research Council New Investigator Award. Das Projekt untersucht die Beziehungen zwischen den gegenwärtigen Ungleichheiten im Alter und den Erfahrungen mit der Deindustrialisierung im 20. Jahrhundert. Dabei wird theoretisches und empirisches Neuland betreten: Das Forschungsprojekt untersucht, wie die „Halbwertszeit“ der Deindustrialisierung Ungleichheiten und unterschiedliche Erfahrungen im Alter hervorbringt und wie sie diese prägt. Auf geografischer Ebene fokussiert sich die Forschungsarbeit auf Tyne and Wear im Nordosten Englands. Die Region ist repräsentativ für die nationalen Erfahrungen mit der Deindustrialisierung und hat zwischen 1960 und 1990 stark unter dem Niedergang ihrer traditionellen wirtschaftlichen Basis gelitten. Das hat dazu geführt, dass viele Menschen unter mehrfachen Benachteiligungen leiden. Dies ist laut Expert:innen für öffentliche Gesundheit der Grund dafür, dass es während der Covid-19-Pandemie zu überdurchschnittlich hohen Krankheits- und Sterblichkeitsraten gekommen ist.

Der Zusammenhang zwischen dem historischen Prozess der Deindustrialisierung und den gegenwärtigen Ungleichheiten in den Bereichen Gesundheit und Wohlbefinden sind offenkundig, werden aber in der Politik und in der Wissenschaft nicht ausreichend anerkannt. Das Forschungsprojekt wählt einen innovativen Ansatz, um diese Zusammenhänge zu untersuchen, denn es stützt sich auf die laufende epidemiologische Geburtskohorte Newcastle Thousand Families Study (NTFS), die seit 1947 durchgeführt wird. Diejenigen, die nicht in der Studie vertreten sind (alle Teilnehmer:innen sind weiße Brit:innen) werden im Rahmen des Projekts in einer ergänzenden Kohorte erfasst, damit die intersektionale Dynamik der Ungleichheiten im Alter und die Auswirkungen sozioökonomischer Verwerfungen auch auf diese Gruppen untersucht werden kann. Dafür werden die verfügbaren gesundheitlichen und demografischen Daten herangezogen und etwa 100 neue mündliche Interviews durchgeführt. Das Ziel ist, die Beziehung zwischen den lebensgeschichtlichen Erfahrungen mit der Deindustrialisierung und den Ungleichheiten im Alter näher zu erfassen.