Dr. Guilherme Pozzer ist Postdoktorand am Institut für soziale Bewegungen der Ruhr-Universität Bochum. Er ist Historiker mit einer über 10-jährigen Forschungsausbildung (PhD- European Doctorate, Universität von Minho-Portugal/Universität von Sevilla-Spanien; MA in Philosophie und BA+2 in Geschichte, Unicamp-Brasilien). Zu seinen Forschungsinteressen gehören die Themengebiete Industriekultur, Erinnerungskultur, Industriearchäologie sowie auch Stadt- und Sozialgeschichte. Pozzer hat Erfahrung mit qualitativen Forschungsmethoden: Zu seinem Spezialgebiet gehört insbesondere die Analyse historischer Daten aus der Perspektive der Industriearchäologie in Kombination mit der sozialen Semiotik und hermeneutischen Verfahren. Seine Doktorarbeit befasst sich mit einem portugiesischen, teilweise verlassenen Industriestandort. Dabei untersucht er, was für eine Rolle die materielle Kultur und die mit ihr verbundenen symbolischen und sozialen Bedeutungen für die Etablierung einer Erinnerungskultur wie auch für die Erhaltung des Kulturerbes hat. In seiner Masterarbeit in Philosophie untersuchte er die städtebaulichen Auswirkungen eines Bahnhofs in Brasilien und wie sich seine symbolische Bedeutung im Laufe der Jahre veränderte: Vom ursprünglich denkmalgeschützten Bahnhof zum Kulturzentrum, nachdem der Eisenbahnverkehr eingestellt wurde. Seine derzeitige Postdoc-Forschung versucht zu verstehen, wie die gegenwärtige gemeinschaftliche Nutzung und Verwaltung der industriekulturellen Vergangenheit dazu beiträgt, dass sich verschiedene Formen der Erinnerungs- und Identitätsbildung entwickeln. Was dies im Rahmen der Deindustrialisierung für Auswirkungen auf das Wohlergehen von verschiedenen Communitys hat, ist ebenfalls Bestandteil der Forschungsarbeit.
Forschungserklärung
Memories, identities, and wellbeing in post-industrial communities
Vor allem in postindustriellen Kontexten werden Communitys von den Entscheidungen über ihr eigenes kulturelles Erbe ausgeschlossen. Dadurch wird ihnen die Möglichkeit genommen, als aktive soziale Subjekte über ihre eigene kulturelle Vergangenheit zu bestimmen, obwohl genau dieser Prozess der Aushandlung und Entscheidung über ihr eigenes kulturelles Erbe prägend für ihre Identität sein sollte, weil ihr kollektives Gedächtnis damit verbunden ist. Es gibt in diesem Sinne eine Lücke in der Industriekulturforschung, denn die Auswirkungen der erwähnten Prozesse auf das Wohlbefinden der entsprechenden Communitys werden meistens nicht untersucht. Meine Forschung befasst sich daher mit der Frage, wie der gegenwärtige Umgang mit dem industriekulturellen Erbe und den unterschiedlichen Formen der Einbeziehung von Communitys dazu beitragen, eine Erinnerungskultur und eine gemeinsame Identität zu schaffen. Anhand von Fallstudien in Europa wird untersucht, wie sich dies, im Rahmen der Deindustrialisierung, auf das Wohlergehen von Communitys auswirkt. Indem der Frage nachgegangen wird, wie Kulturerbstätte genutzt, verwaltet und bewahrt werden, kann geklärt werden, wie in Europa die Beziehung zwischen Communitys und den institutionellen Hauptakteuren im Bereich Kulturerbe aussieht. Gleichzeitig soll auch thematisiert werden, wie postindustrielle Communitys in Entscheidungsprozesse miteinbezogen werden können.