Filippo Sbrana ist Experte für Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit. Er hat einen PhD und ist Tenure-Track-Assistenzprofessor an der Università per Stranieri di Perugia in Italien, wo er Wirtschaftsgeschichte der Globalisierung lehrt.

Seine Forschungsschwerpunkte sind: Politik- und Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit, öffentliche Wirtschaftsinterventionen, Banken und Finanzsektor, Arbeitgebendenverbände und Gewerkschaften, die Mezzogiorno-Region, regionale Entwicklung und Nord-Süd-Beziehungen in Italien, Außenhandel (insbesondere im Zusammenhang mit Entwicklungsfragen und geopolitischen Beziehungen) und wirtschaftliche und soziale Folgen der Deindustrialisierung. Seine Veröffentlichungen befassen sich meist mit den Zusammenhängen zwischen wirtschaftlichen Fakten und politischen und sozialen Aspekten. Zudem hat er auch die Lebensgeschichten einiger Protagonisten der modernen italienischen Geschichte, wie Guido Carli, Pasquale Saraceno und Ugo La Malfa untersucht.

Seine Forschungsarbeiten konzentrieren sich derzeit auf zwei Themen:

1. Die Wirtschaftskrise der 1970er Jahren und ihre Folgen in Italien, d. h. die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Veränderungen, die zur „Nordfrage“, zur Lega Nord und zum Rassismus gegen Menschen aus den südlichen Regionen führte.

2. Die internationalen Konjunkturprognosen für Italien nach dem Zweiten Weltkrieg mit Einblicken in die Rolle der Banken wie auch in die wirtschaftliche Entwicklung Italiens und den damit verbundenen geopolitischen Folgen.


FORSCHUNGSERKLÄRUNG

From the economic crisis to the populism of the Lega Nord

Die moderne Geschichte Italiens ist ein interessanter Ausgangspunkt für die Analyse des Populismus und des Rassismus. Im Mittelpunkt meines Forschungsprojekts steht die Entstehung und Entwicklung der populistischen Bewegung Lega Nord. Zwei Themenbereiche sind hier ausschlaggebend und beide drehen sich um die 1970er Jahren: Einerseits die Wirtschaftskrise, die in Italien sehr stark zu spüren war und vor allem im Industriesektor die Arbeitslosigkeit ansteigen ließ. Andererseits die Errichtung von Verwaltungsregionen im ganzen Land. All das führte dazu, dass sich das Nord-Süd-Gefälle weiter vertiefte. In den frühen 1980er Jahren entstanden in Norditalien die ersten Autonomiebewegungen, die sich 1991 zur Lega Nord zusammenschlossen. In der ersten Hälfte der 1990er Jahren kam es letztendlich zu markanten Veränderungen in der italienischen Politik: Die größte Partei, die Democrazia Cristiana (Cristliche Demokratie), wurde nicht mehr ins Parlament gewählt, die so genannte Zweite Republik entstand und auf tagespolitischer Ebene hatten nicht mehr die unterentwickelten Regionen des Südens, sondern das Wachstum der reichen Regionen des Nordens Priorität. Die Lega spielte dabei eine wichtige Rolle. Im Verlauf dieser Entwicklungen distanzierte sie sich von ihren ehemaligen Autonomiebestrebungen für den Norden und entwickelte sich zu einer nationalen Partei. Im Jahr 2018 erhielt sie etwa 20 % der Sitze im Parlament.

Ich beschäftige mich seit mehreren Jahren mit diesen Themen, insbesondere mit der Beziehung zwischen Norden und Süden. Derzeit analysiere ich diese Beziehung, zusammen mit anderen Entwicklungen, aus einem anderen Blickwinkel. Ich möchte die Verbindungen zwischen Deindustrialisierung, Populismus und Rassismus vertiefen. In der gesamten Geschichte der „Nordfrage“ und der Lega Nord finden wir Elemente, die mit dem Populismus verbunden sind: Wirtschaftskrise, Umbrüche in der Industrie, Arbeitslosigkeit, Unzufriedenheit mit den traditionellen Parteien, Ablehnung der Eliten, die nicht zum Wohle des Volkes (des Nordens) regieren. In dem ich meine Untersuchungen mit den Forschungen anderer Wissenschaftler:innen, die sich mit demselben Thema befassen, vergleiche, kann ich die Besonderheiten der italienischen Geschichte und die Verbindungen mit der internationalen / globalen Geschichte besser verstehen.