Rory Stride ist Post-Doktorand an der Universität Strathclyde und arbeitet im Scottish Oral History Centre unter der Leitung von Professor Arthur McIvor. Seine Familie ist aus Govan, dem Arbeiter:innenviertel der Glasgower Schiffbauindustrie, wo er in unmittelbarer Nähe vom Fairfield-Werft die Grundschule besuchte. Sein Interesse gilt der Frage, wie die Deindustrialisierung das Leben der Menschen geprägt hat, sowohl auf individueller Ebene als auch im Hinblick auf die verschiedenen Communitys und auf den politischen Diskurs in Schottland, Europa und Nordamerika. Ferner interessiert ihn, was für Erfahrungen mit der Deindustrialisierung und ihren langfristigen Folgen die Frauen im ehemals florierenden Textilsektor im mittleren Westen Schottlands gemacht haben.  

2017 wurde Rory mit dem Neil Rafeek-Preis des Scottish Oral History Centre für die innovativste Anwendung der Oral-History durch eine:n Student:in im Rahmen eines Master- oder Bachelorstudiums ausgezeichnet. Darüber hinaus wurde er mit dem J. Percival Agnew-Preis der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften der Universität Strathclyde für die am besten bewertete Abschlussarbeit im Fach Geschichte ausgezeichnet. 

Seine Doktorarbeit wird vom Arts and Humanities Research Council finanziert und er ist Mitglied der Scottish Graduate School of Arts and Humanities. Im Jahr 2019 erschien sein erster Artikel „Women, Work and Deindustrialisation: The Case of James Templeton & Company, Glasgow, c.1960-1981“ in der Fachzeitschrift Scottish Labour History. 


Forschungserklärung:
 

Im kollektiven Bewusstsein Schottlands ist die Deindustrialisierung untrennbar mit Margaret Thatcher, dem Jahrzehnt der 1980er Jahre, den bedeutenden industriellen Schließungen im Schwermaschinenbau und der verstärkten Männer-Arbeitslosigkeit verbunden. Allerdings hat die Deindustrialisierung in Schottland eine längere Geschichte. Ihre Wurzeln reichen bis in die 1950er Jahren zurück. Zudem setzte sie sich bis weit über die Amtszeit Thatchers (1990) fort. In der Textil- und Bekleidungsindustrie des mittleren Westens Schottlands wurde das Leben von Tausenden von Frauen aus der Arbeiter:innenklasse Ende der 1990er und Anfang der 2000er Jahren durch erhebliche und kontinuierliche Entlassungen und Fabrikschließungen geprägt. Die beiden größten Textil- und Bekleidungsunternehmen in Glasgow, D&H Cohen’s und Bairdwear, schlossen ihre Produktionsstätten erst 1996 bzw. 2000, was zur Folge hatte, dass 1.000 Arbeiter:innen – die überwältigende Mehrheit davon Frauen – entlassen wurden. 

Mein Forschungsprojekt konzentriert sich auf die Erfahrungen von Frauen, die im Verlauf des 20. Jahrhunderts bei vier der größten schottischen Arbeitgeber im Bekleidungs- und Textilsektor beschäftigt waren, darunter: Coats Viyellas Textilfabriken in Schottlands herausragender Textilstadt Paisley Bairdwear, das zahlreiche Fabriken in Glasgow besaß, D&H Cohens Bekleidungsfabrik im Süden von Glasgow und Stoddard Carpets in Elderslie, Renfrewshire. 

Im Rahmen des Forschungsprojekts wurde eine neue Sammlung von Oral-History-Interviews zusammengestellt. Die Interviews wurden mit Frauen geführt, die in einem dieser Unternehmen beschäftigt waren. Daher stehen die Stimmen der Frauen aus der Arbeiter:innenklasse im Vordergrund. Ausgehend von ihren Aussagen, versucht das Forschungsprojekt ein besseres Verständnis über die Beziehung von Frauen zur Erwerbsarbeit wie auch über ihre Erfahrungen mit der Deindustrialisierung in Schottland in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu entwickeln. Die Forschungsarbeit untersucht die tiefgreifenden und langfristigen Auswirkungen der Deindustrialisierung auf das Leben der entlassenen Frauen und geht dabei auf die Folgen des Verlusts der Arbeit für ihre psychische Gesundheit und ihre familiären Beziehungen ein. Es wird auch besprochen, wie sich der Arbeitsverlust auf den Wechsel zu einer neuen Arbeitsstellen ausgewirkt hat. Darüber hinaus werden die langfristigen Auswirkungen der Deindustrialisierung auf die gebaute Umwelt und die Community-Identität im Kontext von Gentrifizierung, Armut und Sanierungsprojekten untersucht.